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Externe Konfliktberatung: Interview

In Luxemburg helfen externe Schulmediator*innen bei schulischen Konflikten. Die Anlaufstelle unterstützt bei drohenden Schulabbrüchen und Konflikten, die bei der Inklusion und Integration von Schüler*innen mit besonderem Förderbedarf oder mit Migrationshintergrund entstehen. Michèle Schilt sprach mit der Leiterin der Servicestelle, Lis De Pina, über die Arbeit der Schulmediation.

Frau De Pina, was ist die Mission des Schulischen Mediationsdienstes (Service de médiation scolaire)?

Unsere Aufgaben sind dreigeteilt: Es geht erstens um den Verbleib junger Menschen in der Schule, also darum, Schulabbrüche zu verhindern, zweitens um die Inklusion von Kindern mit spezifischen Bedürfnissen in der Regelschule und drittens um die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund ins Luxemburger Schulsystem. Unsere Mission besteht jeweils darin, auf Unstimmigkeiten in den Prozeduren zu achten. Deshalb arbeiten wir mit vielen anderen Akteuren zusammen.

Welcher Art von Konflikten begegnen die Mediator*innen?

In den allermeisten Fällen geht es um Inklusion: Prozeduren dauern zu lange, die Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren klappt nicht oder die Verantwortlichkeiten sind ungeklärt. Dann obliegt es uns, die unterschiedlichen Akteure an einen Tisch zu bringen und zu koordinieren. Daneben gibt es – oft zu Trimester-, Semester- oder Schuljahresende – viele Fälle in der Grundschule, wo es um die schulische Orientierung von Kindern geht. In den Sekundarschulen haben wir vor allem mit Disziplinarverfahren wegen Fehlverhaltens zu tun. Eine neue Entwicklung ist, dass auch Themen wie Mobbing, Gewalt und Schulangst an uns herangetragen werden.

Wer meldet sich bei Ihnen?

In erster Linie die Eltern der Kinder und Jugendlichen, aber auch immer mehr Lehrpersonen oder andere schulische Akteure. Schulleitungen schalten uns ein, um zwischen Lehrpersonen und Eltern zu schlichten.

Und was ist mit Konflikten zwischen Leitungen und schulischem Personal?

Das fällt nicht in unseren Kompetenzbereich. Dafür gibt es andere Instanzen.

Was ist mit Kindern? Können die Ihre Leistungen in Anspruch nehmen?

Derzeit dürfen nur Volljährige einen Antrag stellen. Wir arbeiten aber daran, dass dies geändert wird, da Verwaltungen auch für Minderjährige zugänglich sein müssen. Das gilt nicht nur für uns und das wird auch derzeit im Ministerium geprüft.

Mit wie vielen Fällen befasst sich die Schulmediation pro Jahr in etwa?

Rund 160 bis 180 Dossiers werden pro Jahr bearbeitet. Daneben gibt es allerdings täglich – vor allem telefonisch – ein bis zwei inoffizielle Anfragen, also solche, die nicht in einem Mediationsverfahren münden.

Wie lange dauert eine Begleitung im Schnitt?

Das hängt davon ab. Ein erstes Gespräch mit den Eltern z. B. dauert 1,5 bis 2 Stunden. Dort gilt es gut zuzuhören, um herauszufinden, wo genau der Schuh drückt. Nach einer internen Beratung über die Vorgehensweise sprechen wir mit den anderen schulischen Akteuren, u. a. auch der Schulleitung, und dann wieder mit den Eltern. Eventuell bringen wir auch alle an einen Tisch. Manchmal ist eine Lösung schnell gefunden, aber manchmal auch nicht und dann dauert es.

Woran liegt es denn, dass die Betroffenen nicht selbst eine Lösung finden? Warum suchen sie den Weg über die Schulmediation?

In der kurzen Zeit, in der es uns gibt, haben wir festgestellt, dass es sich, v. a. bei Inklusionsfällen, schlicht um Kommunikationsprobleme handelt. Wenn schulische Akteure ein Problem identifizieren und eine Lösung vorschlagen, die die Eltern ablehnen, dann liegt dies oft daran, dass nicht genügend miteinander gesprochen wurde. Die Eltern fühlen sich überrumpelt. Manchmal fehlt es auch an Koordination zwischen den vielfältigen Instanzen, Lehrpersonen, Jugendamt, Kompetenzzentren und den Eltern. Bei Schulverweisen von Sekundarschulen fehlt oft eine konstruktive und lösungsorientierte Haltung. Eltern fühlen sich schnell in die Defensive gedrängt, die Positionen verhärten sich auf beiden Seiten und die junge Person ist schließlich die leidtragende.

Laut Gesetz kann der Mediationsdienst auch Empfehlungen schreiben. Wie sieht das in der Umsetzung aus und an wen gehen diese Empfehlungen?

Nehmen wir ein Beispiel: Ein Schüler soll von der Schule verwiesen werden. Der angegebene Grund entspricht allerdings nicht den gesetzlichen Bedingungen. Darauf hingewiesen, weigert sich die Schulleitung, den Schulverweis zurückzunehmen. In diesem Fall schreibt der Mediationsdienst eine sogenannte recommandation individuelle an die Schulleitung. Erst wenn dieser Empfehlung nicht Rechnung getragen wird, muss der Minister informiert werden, der schließlich entscheidet. Dies ist aber in den allerwenigsten Fällen nötig. Daneben schreiben wir auch recommandations générales mit Vorschlägen fürs Bildungsministerium, weil sich die Problemlagen ähneln.

Zum Schluss: Wie sieht für Sie eine konstruktive Konfliktkultur an Luxemburger Schulen aus? Was wünschen Sie sich?

Dass sich die Vorstellung, Konflikt sei etwas Schlechtes, ändert. Konflikt ist nicht etwas „Böses“ oder Persönliches. Konflikt kann eine Gelegenheit sein, um die Perspektive zu wechseln, zu verstehen, was hinter einem Konflikt steckt, und gemeinsam daran zu wachsen. Dafür muss man sich an einen Tisch setzen und miteinander reden, zuhören, nicht im Affekt handeln, sich Zeit lassen, um Entscheidungen zu treffen, eine wertschätzende Haltung einnehmen. Und, optimalerweise, sich überlegen, wie man mit Konflikten umgeht, noch ehe sie entstehen.

 

Kontakt:

10, rue Bender L-1229 Luxembourg
Tél.: (+352) 247 – 65280
contact@mediationscolaire.lu
www.mediationscolaire.lu

 

Gesetzlicher Rahmen:

Loi du 18 juin 2018 portant institution d’un service de médiation au maintien, à l’inclusion et à l’intégration scolaires





Michèle Schilt

Stellvertretende Direktorin des Zentrum fir politesch Bildung. Michèle Schilt ist Sekundarschullehrerin im Fach Geschichte. Sie beschäftigt sich vor allem mit demokratischer Schulkultur und Workshopentwicklung für die formale und non formale politische Bildung.



Lis De Pina

Leiterin des Service de la médiation scolaire in Luxemburg

Autor*in(nen):

Michèle Schilt / Lis De Pina (2023)

Titel:

Externe Konfliktberatung: Interview

Erschienen in Ausgabe:

8 / 2023 - Konflikte bearbeiten, S. 9-10.

Stichwörter:
Zitiervorschlag:
Michèle Schilt / Lis De Pina (2023) : Externe Konfliktberatung: Interview, in: mateneen 8 / 2023 - Konflikte bearbeiten , S. 9-10. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-2e23-5fa7