Glossar
Aktuelle Stunde
Die Aktuelle Stunde ist eine Methode, bei der Lernende eine aktuelle politische oder gesellschaftliche Problemfrage kontrovers diskutieren. Im Mittelpunkt steht nicht Wissenserwerb, sondern der Austausch von Argumenten und unterschiedlichen Meinungen zur Förderung politischer Urteilskompetenz.
Audit
Ein Audit ist ein Instrument der Schulentwicklung, bei dem unterschiedliche schulische Akteur*innen (z. B. Schüler*innen, Schulpersonal, Schulleitung) in einer Audit-Gruppe gemeinsam den Ist-Stand eines Themas ermitteln, Schritte planen, umsetzen und auswerten.
Beutelsbacher Konsens
Der Beutelsbacher Konsens fasst drei grundlegende Ansprüche an politische Bildung zusammen. Lernende dürfen in ihrer politischen Urteilsbildung nicht überwältigt, sondern sollen befähigt werden, ihre Interessen zu erkennen und in den politischen Diskurs einzubringen. Dafür gilt: „Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muss auch im Unterricht kontrovers erscheinen.“
Bildung, non-formale
Unter non-formaler Bildung wird beabsichtigtes, freiwilliges und selbstgesteuertes Lernen außerhalb klassischer Bildungsinstitutionen (formale Bildung), beispielsweise in Vereinen oder Jugendhäusern, verstanden, während informelle Bildung die beiläufige Selbstbildung in unmittelbaren Lebenszusammenhängen umfasst.
Brückenproblem politischer Bildung
Um Politik für Lernende sinnhaft und lebensweltnah erfahrbar zu machen, bedarf es eines methodischen Brückenschlags zwischen politischen Gegenständen und den bei Schüler*innen bereits bestehenden Erfahrungen und Vorstellungen, die dann fachlich eingeordnet und weiterentwickelt werden können.
Vgl. Andreas Petrik (2012): Der heimliche politikdidaktische Kanon. In: Ingo Juchler (Hg.): Unterrichtsleitbilder in der politischen Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, S. 72.
Demokratie als Herrschaftsform, Lebensform, Gesellschaftsform
Die von Gerhard Himmelmann ausgeführte Dreiteilung geht über die Dimension von Demokratie als Herrschaftsform, die beispielsweise das Rechtsstaatsprinzip fasst, hinaus. Neben der Dimension der Lebensform wird Demokratie als Gesellschaftsform beschrieben. Hier liegt unter anderem ein Fokus darauf, wie Demokratie in Form von Pluralismus in der Gesellschaft gestaltet und gefestigt ist.
Demokratiekompetenz
Zur Demokratiekompetenz werden die Fähigkeiten zur Perspektivenübernahme und diskursiven Klärung von Konflikten, zur Bewertung gesellschaftlicher Problemlagen und zur Beteiligung an bürgerschaftlicher Selbstverwaltung, sozialen und politischen Initiativen und an öffentlicher Meinungsbildung gezählt.
Demokratiepädagogik
Demokratiepädagogik umfasst handlungs- und erfahrungsorientierte Konzepte zur Förderung demokratischer Kompetenzen, insbesondere durch die demokratische Gestaltung von Lernkultur, Schulleben und außerschulischen Lerngelegenheiten.
Demokratietage
Demokratietage sind aus dem schulischen Alltag herausgehobene Tage, an denen sich die Schulgemeinschaft grundsätzlichen Fragen und Herausforderungen der Demokratie oder der Entwicklung der eigenen Schulkultur widmet. Im Zusammenspiel mit kontinuierlichen Maßnahmen demokratiepädagogischer Schulentwicklung bieten sie besondere Gelegenheiten zu Reflexion und Partizipation, aber auch zum Erleben der Schulgemeinschaft.
Dewey, John
John Dewey (1859-1952) gilt als Begründer handlungs- und projektorientierten Lernens („learning by doing“). In „Demokratie und Erziehung“ (1916) fordert er eine demokratische Gestaltung von Schule und Unterricht, in der Demokratie als gesellschaftliche Lebensform erfahren und erlernt werden könne.
Extremismus
Extremismus bezeichnet als politische Ideologie solche Einstellungen, die sich gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung bzw. gegen den demokratischen Verfassungsstaat richten und dabei Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung der eigenen Ziele und Werte betrachten. Im Wesentlichen sind die Formen des Rechts- bzw. Linksextremismus und des Islamismus in den europäischen Demokratien als Formen des Extremismus bekannt. Während der Rechtsextremismus seine antidemokratische Haltung durch die Ablehnung des Gleichheitsgrundsatzes deutlich macht und Menschen in verschiedene (ethnische oder nationale) Gruppen mit unterschiedlicher Wertung einteilt und dadurch eng mit Rassismus und Antisemitismus verbunden ist, setzt der Linksextremismus den Wert der Gleichheit absolut und will ihm alles, auch individuelle Freiheitsrechte, unterstellen. Hierbei werden dann anarchische oder sozialistische/kommunistische Gesellschaftsbilder befürwortet (die ihrerseits auch antisemitisch aufgeladen sein können).1
1 Vgl. z. B. Uwe Backes (2018). Extremistische Ideologien. In: Eckhard Jesse, Tom Mannewitz (Hg.): Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos, S. 99-160, hier: S. 127 ff.
Feedbackkultur
Der Begriff Feedbackkultur im partizipativen Unterricht beschreibt eine fest etablierte Struktur, in der sich die hieran Beteiligten Rückmeldungen geben und empfangen. Basierend auf den Rückmeldungen werden dann gemeinsam Entscheidungen getroffen und umgesetzt.
Flipped Classroom
Flipped oder Inverted Classroom bezeichnet ein Unterrichtsformat, in dem die Lerninhalte von den Lernenden zu Hause mit Hilfe digitaler Lerneinheiten eigenständig erarbeitet werden und hierdurch im Unterricht mehr Zeit für Übung, Anwendung und Diskussion besteht.
Fokusgruppen
Fokusgruppen bestehen aus jeweils 6 bis 10 gezielt ausgewählten Expert*innen aus den einzelnen Statusgruppen, die in einem moderierten Gespräch die Ergebnisse der Potentialanalyse gemeinsam diskutieren, interpretieren und Ideen für die mögliche Schulentwicklung entwerfen. Die Vorschläge gehen in die Ausarbeitung des konkreten Schulentwicklungskonzepts ein.
Grundrechtsklarheit
meint mehr als formale Verfassungstreue. Vielmehr sind Lehrpersonen verpflichtet, für die Werte und Normen der Verfassung, Kinder- und Menschenrechte einzutreten, diese zu erklären, zu verteidigen, in ihrem Verhalten vorzuleben und sich gegen antidemokratische Positionen und für eine starke Zivilgesellschaft auszusprechen.1
1 Vgl. Achenbach-Carret, Christine/Busch, Matthias/Keuler, Charlotte 2023: Handreichung für das übergreifende Thema Demokratiebildung. LISUM Berlin-Brandenburg. Ludwigsfelde, S. 6.
Ich-Botschaften
Mit Hilfe der vom US-amerikanischen Psychologen Thomas Gordon entwickelten Ich-Botschaft lässt sich Kritik nicht als Angriff auf den Gesprächspartner (Du-Botschaft), sondern als konfliktmildernde Selbstoffenbarung formulieren, in der der Sprecher seine Gefühle und Meinung ausdrückt (Gordon-Modell).
Leitbild
In einem Leitbild oder Schulprogramm beschreibt die Schulgemeinschaft ihre pädagogischen Selbstverständnisse, Werte, Ziele und thematischen Schwerpunkte. Als Orientierungshilfe für die eigene Arbeit und für Außenstehende sollte auch das demokratiepädagogische Konzept mit seinen aufeinander abgestimmten Methoden und demokratischen Strukturen in Unterricht, Schulleben und Schulorganisation festgehalten werden.
Leiter der Partizipation
Die sog. Leiter der Partizipation graduiert acht Beteiligungsformen, die von lediglich vorgetäuschten Mitsprachemöglichkeiten bis hin zu möglichst autonomen und selbstgeführten Formaten reichen.
Lernen durch Lehren (LdL)
Lernen durch Lehren (LdL) ist ein pädagogisches Gesamtkonzept, das in den 1980ern vom französischen Didaktiker Jean-Pol Martin begründet wurde. Es bezeichnet eine Unterrichtsmethode, bei der Schüler*innen sich gegenseitig unterrichten und so gemeinsam Wissen konstruieren.
Lewin, Kurt
Der Psychologe Kurt Lewin (1890-1947) unterscheidet zwischen einem demokratischen, autoritären und Laissez-faire-Erziehungsstil, wobei der erste die Entwicklung von Kindern zu Eigenverantwortung und Kreativität unterstütze, die anderen tendenziell zu Verunsicherung, Aggressivität und Frustration führten.
Medienkompetenz
Medienkompetenz bezeichnet die Fähigkeit, Medien zu kennen (Medienkunde), nach eigenen Zielen und Bedürfnissen zu nutzen und zu gestalten (Mediennutzung und -gestaltung) und sie in Bezug auf das Individuum und die Gesellschaft zu reflektieren (Medienkritik).
MOOC
Als MOOC (Massive Open Online Course) werden offen zugängliche Onlinekurse bezeichnet. Sie bestehen in der Regel aus Lernvideos, Texten, Arbeitsaufträgen und Foren, in denen Lehrpersonen und Lernende miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten können.
Open-Educational-Ressources
Open Educational Resources (OER) sind kostenlose, (lizenz-)freie Lehr- und Lernmaterialien. Mit ihrer u.a. von der UNESCO unterstützten digitalen Bereitstellung geht die Vision einher, globale Bildungsbenachteiligungen abzubauen und Bildungsbemühungen zu stärken.
Pädagogik der Anerkennung
Im Kontext einer Pädagogik der Anerkennung wird betont, wie bedeutsam es ist, dass Menschen Anerkennung entgegengebracht wird. Dieses Erleben wirkt sich auf die Wahrnehmung der eigenen Person wie auch darauf aus, wie man sich selbst begegnet.
Partizipation
Unter Partizipation beispielsweise im Rahmen einer demokratischen Unterrichtskultur lässt sich eine Mitwirkung verstehen, die bewusst als demokratisches Handeln reflektiert werden sollte. Zu beachten ist dabei, inwieweit Partizipation strukturell verankert ist und damit in gewissem Maße Verbindlichkeiten schaffen kann.
Peer-Mediation
ist ein Verfahren, in dem Streitschlichter*innen die Konfliktparteien dabei unterstützen, ihre Sichtweisen und Bedürfnisse zu formulieren und gemeinsam eine einvernehmliche Lösung zu vereinbaren.
Plan de développement scolaire
Ziel ist es, dass jede Sekundarschule ihren eigenen Schulentwicklungsplan (Plan de développement scolaire, PDS) ausarbeitet und dessen Umsetzung selbst steuert. Der Prozess hat 2017 begonnen und ist auf drei Jahre angelegt. 2018 und 2019 soll jede Schule ihren Plan umsetzen, evaluieren und die Rückschlüsse in einen neuen Plan einfließen lassen, der ab dem Schuljahr 2020-2021 umgesetzt werden soll.
Portfolio
In einem Portfolio stellt der Lernende für ihn relevante Lernprodukte zusammen. Auf diese Weise erfolgt eine Dokumentation beispielsweise der fachlichen Weiterentwicklung, die begleitend zum (Projekt-)Unterricht vorgenommen wird. Im Rahmen einer partizipativen Unterrichtskultur werden Zielsetzungen der Portfolioarbeit gemeinsam ausgehandelt.
Schulzeitpartitur
Schulzeitpartituren sind ein Mittel, Unterrichtsgegenstände und -ziele in ihrem fächerübergreifenden bzw. transdiziplinären Charakter und das damit verbundene Lernen in seiner Prozesshaftigkeit zu denken. Hierin wird festgehalten, wann ein Thema wo behandelt und zu welcher Gelegenheit im Schuljahr es in anderen Kontexten vertiefend aufgegriffen wird.
Vgl. Gotthilf Gerhard Hiller (1980): Ebenen der Unterrichtsvorbereitung. In: Bijan Adl-Amini und Rudolf Künzli (Hg.): Didaktische Modelle und Unterrichtsplanung. München: Juventa, S. 119-141.
Subsidiaritätsprinzip
Nach dem Subsidiaritätsprinzip regeln staatliche Institutionen wie Schulen ihre Angelegenheiten – soweit möglich und sinnvoll – eigenverantwortlich. Dies rechtfertigt, dass Aufgaben zunächst auf Ebenen wie dem Klassenrat oder der Schülerversammlung selbstbestimmt bearbeitet werden, ehe Gremien wie die Schulkonferenz, Schulverwaltung oder Parlamente regulierend eingreifen.
Verschwörungstheorien
Die Idee, dass hinter den Ereignissen in der Welt geheime Mächte stecken, die aus Eigennutz und zumeist in bösartiger Absicht gegenüber der Gesellschaft handeln, steckt in allen Verschwörungstheorien. Sie unterteilen die Welt in die bösartigen Verschwörer und die Guten und von der Verschwörung Benachteiligten oder gar Geschädigten und sind mit diesem Gesellschaftsbild dem Populismus ähnlich. Das Besondere an ihnen ist eine umgekehrte Argumentationsweise, in der erst die Erklärung vorangestellt wird („Die wollen uns eh alle nur in eine Diktatur bringen“) und nachträglich und selektiv passende Hinweise gesucht und angeführt werden.1
1 Vgl. z. B. Kerstin Johannsen (2015): Verschwörungstheorien erkennen und analysieren. In: Schirin Fathi (Hg.): Komplotte, Ketzer und Konspirationen. Zur Logik des Verschwörungsdenkens. Beispiele aus dem Nahen Osten. Bielefeld: transcript, S. 33-42, hier: S. 34 ff.