Geleitwort des Präsidenten der Stiftung Zentrum fir politesch Bildung

 

Warum sich Schule mit Demokratie beschäftigen muss.

Demokratie ist die Macht des Volkes die Führungskräfte auszuwählen, denen es zutraut, Führung, also Macht verantwortungsvoll auszuüben und sich ihrer vertrauensvoll unterwerfen zu können. Eine freie demokratische Gesellschaft ist nicht eine machtfreie, anarchische Gesellschaft, sondern eine die Macht bewusst zu steuern vermag.

Schule als Institution einer demokratischen Gesellschaft unterliegt diesen Machtverhältnissen. Regierung, weisungsbefugtes Bildungsministerium, Schulleitung, Lehrer, Schüler, … stellen ein deutliches institutionelles Machtgefüge dar, mit dem gesellschaftlichen Auftrag, die Schüler in die sie umgebende Gesellschaft einzuführen mit ihrer Kultur (Schrift, Sprache, Werte, Normen), sei es durch Vermitteln von Wissen oder durch mehr oder weniger bewusst erlebte Sozialisation über Formen des Zusammenlebens. Schule reproduziert und gestaltet Gesellschaft. So hat die Schule auch die Funktion über nachweislich bestätigte Qualifikationen von Wissen- und Fertigkeitskompetenzen, die benötigten Führungskräfte einer Leistungsgesellschaft aufzubringen.

In der Machthierarchie der Schule interessiert uns hier besonders das Machtverhältnis, dem der Schüler unterliegt, gerechtfertigt durch das mehr an Wissen der Lehrer. Wenn sich Führung (am Vorbild Schule) durch ein Mehr an Wissen und Qualifikation rechtfertigen lässt, wo und wie wird der Umgang mit der ihr zustehenden Macht gelehrt, gelernt, gelebt?

Denn laut Schäfer1 heißt Wissen nicht unbedingt direkt gleich Macht, sondern stellt nur ein Mittel dar, um Macht zu erreichen. Nur wer durch Wissen die herrschenden Machtverhältnisse erkennt, kann sie auch durchblicken, gestalten und beeinflussen. Und Freiheit hat, wer Macht gestalten und beeinflussen zu vermag. Es gehört deshalb zur Pflicht jeder Schule ihre Schüler altersgerecht vorzubereiten auf ein selbstbestimmtes Leben in demokratischen Machtverhältnissen, sei es durch Wissensvermittlung oder über gelebte Partizipationsformen.

 Sogenannte „Elite -Schulen“, die vorgeben die Eliten, die Führungskräfte eines Landes, einer Gesellschaft auszubilden, müssen sich deshalb hinterfragen, ob sie ihre Schüler auf das vorbereiten, was eine Führungselite zu leisten hat. Eine Führungselite sollte vermögen, demokratische Werte und Normen in den geführten Strukturen zu leben und umzusetzen. Und Führungskräfte sind vielfältig vorhanden, vom Leiter eines mittelständigen Handwerkbetriebes, Erzieher, Finanzmanager bis zum Politiker.

„Demokratie lernen und leben“ ist deshalb kein Selbstzweck, sondern gehört zu einer soliden Schulausbildung.

Wenn Populisten die Ohnmacht verschiedener Bevölkerungsgruppen gegenüber den „herrschenden“ Eliten lautstark geltend machen wollen, so hat dies sicher mit dem in der Bevölkerung vorhandenem oder nichtexistierendem Wissen über Machtverhältnisse und Machtbeteiligung zu tun. Die Vermittlung dieses Wissens über vielfältige Wege ist ein Ziel der Demokratiepädagogik. Es könnte aber auch sein, dass der soziale Aufstieg, der Weg zur Führungsebene unerreichbar erscheint. Chancengleichheit ist deshalb eine andere demokratische Herausforderung für die Schule, denn wenn gesellschaftliche Führung sich z. B. über soziale Herkunft oder Sprache rechtfertigen würde und nicht über ein mehr an Leistung, verrichtet die Schule nicht ihren Auftrag und Beitrag zu einer demokratischen Gesellschaftsstruktur.

 

Nico Meisch

Präsident der Stiftung Zentrum fir politesch Bildung

 


1 Schäfer, Alfred (2004): Macht – ein pädagogischer Grundbegriff? Überlegungen im Anschluss an die genealogischen Betrachtungen Foucaults. In: Ricken, Norbert / Rieger-Ladich, Markus (Hrsg.) Michel Foucault. Pädagogische Lektüren. Wiesbaden: VS Verlag.