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Demokratietage in der Großregion: Saarland
mateneen: Wie gestalten sich Demokratietage in der Großregion? Wir haben mit Vertreter*innen der Bildungsministerien und der Schulverwaltung gesprochen und sie nach der Bedeutung der Demokratietage, bildungspolitischen Vorgaben, Zielen, Gestaltungswünschen und Unterstützungsmaßnahmen gefragt.
Im Saarland sind an den Schulen keine Demokratietage vorgesehen, da die Wirkung solcher im Schuljahr solitär bleibenden Ereignisse zweifelhaft ist und Demokratiebildung als alltägliche Aufgabe kontinuierlich angegangen werden muss.
Gedenk- und Erinnerungstage gibt es inzwischen mehr als Kalenderblätter. Doppel-, ja Dreifachbelegungen sind inzwischen an der Tagesordnung und nur Hotspots wie der Auschwitz-Gedenktag oder der Tag der Menschenrechte schaffen überhaupt noch den Sprung in eine breitere öffentliche Wahrnehmung. Eine solche Skepsis ist auch am Platze, wenn es um staatlich verordnete Demokratietage geht. Unsere Demokratie, jene Staatsform, die sich aktuell ob der populistischen Herausforderungen bis hin zu den rechtsextremen Bedrohungen auf sehr dünnem Eis bewegt, braucht mehr als die einmal jährliche Leistungsschau. Denn, seien wir ehrlich, jeder Arbeitstag sollte gerade an unseren Schulen ein Demokratietag sein. Fußend auf der Idee, das Thema aufzurufen, jenseits der Fälligkeit im Turnus des Lehrplans. Eben nicht, weil in der 9. Klasse die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ansteht, sondern weil ich als Lehrkraft mitbekommen habe, wie ein Schüler auf dem Schulhof den Gleichaltrigen als „schwul“, „Jude“, „Opfer“ zum Menschen zweiter Klasse herabgesetzt hat. Oder von einer Schülerin weiß, die sich nach dem Besuch eines Anne-Frank-Theaterstücks wegen ihres ausgefallenen Kindergeburtstages mit Anne Frank vergleicht, und von Älteren gehört habe, die sich selbstbewusst einen Judenstern mit der Aufschrift „ungeimpft“ angeheftet haben. Das braucht die Diskussion, den Mut, projektorientiert den Brückenschlag von gestern zu heute zu wagen und Jugendliche berührende Themen wie „Black Lives Matter“, unseren alltäglichen Rassismus im Zusammensein mit Farbigen, Sinti und Roma und leider auch schon wieder Bürger*innen jüdischen Glaubens anzugehen. Das ist mit einem Demokratietag nicht zu schaffen, das bedarf einer täglichen Diskussion im Sinne einer demokratischen Schulentwicklung. Mögliche Formate und Labels kennen wir und haben wir für den Unterrichtsalltag hinreichend bereitgestellt: Planspiele, „Jugend debattiert“, das Zusammengehen von kultureller und politischer Bildung, „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, fächerübergreifend und projektorientiert. Haben wir den Mut, jeden Tag als eine mögliche Einladung zum Demokratietag zu verstehen. Die Demokratie wird es uns danken!
Dr. Burkhard Jellonnek
ist Leiter des Landesinstituts für Pädagogik und Medien des Saarlandes.
Autor*in(nen):
Dr. Burkhard Jellonnek (2021)
Titel:
Demokratietage in der Großregion: Saarland
Erschienen in Ausgabe:
6 / 2021 - Tag der Demokratie, S. 14.