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Starke Gefühle: Emotionen in Konflikten mit Kindern thematisieren
Emotionen gelten als Spiegelbild unserer persönlichen Bedürfnislage. Insbesondere in Konflikt- oder Mediationsgesprächen ist es demnach wichtig, nicht nur über den Moment zu sprechen, an dem ein Streit entstanden ist, sondern auch Bedürfnisse und Gefühle aufzudecken, die unser Handeln, Denken und Fühlen beeinflusst haben. Die folgenden Materialien zeigen, wie man als Lehrkraft Emotionen und Streit mit Grundschulkindern behandeln kann.
Erst wenn Gefühle erörtert werden, ist eine für beide Seiten zufriedenstellende (Auf-) Lösung des Konfliktes möglich. Konflikte, die konstruktiv geklärt werden konnten, bieten also die Chance, Problemlagen aufzudecken und bestehende Situationen zu verbessern. Um diese Erkenntnis einer Klasse zu vermitteln, muss die Lehrperson nicht auf den ersten Streit unter den Schüler* innen warten. Die folgenden Methoden ermöglichen es, Konflikte und Emotionen mit Grundschüler*innen ab dem Alter von 9 Jahren zu thematisieren.
Unter Einbezug des Arbeitsblattes Was ist Streit? werden persönliche Vorstellungen über Streit und Konflikte behandelt. Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, sich in Einzelarbeit entweder schriftlich mit dem Thema auseinanderzusetzen oder ein Bild auf das Arbeitsblatt zu zeichnen. Hier geht es nicht darum, eine korrekte Definition von „Streit“ auf Papier zu bringen, sondern persönliche Erfahrungen zu reflektieren. Im Anschluss daran können die Bilder in der Klasse aufgehängt und die Ergebnisse zusammengetragen werden, um ein gemeinsames Verständnis von Konflikten in der Klasse herauszuarbeiten.
Da wo Konflikte auftauchen, kommen Emotionen ins Spiel. Um sich mit den unterschiedlichen Gefühlslagen auseinanderzusetzen, bietet es sich an, Gefühlskarten einzusetzen und zusammen mit den Schüler*innen zu erörtern. Diese können auch zwischendurch im Unterricht Einsatz finden. Die Gefühlskarten sind auch ein Einstieg in die Übung Emotionen. Ziel ist es hierbei, dass die einzelnen Gefühlskarten konkreten Situationen zugeordnet werden können. Zunächst suchen sich die Schüler*innen in zwei Gruppen zwei Gefühlskarten heraus und überlegen, ob sie schon reelle Situationen erlebt haben, in denen sie sich genauso gefühlt haben. Welche Situation war das? War es im Zusammenhang mit einem Konflikt? Was war der Ausgangspunkt und wie ging es weiter? Wie hat man diese Situation allgemein empfunden? Freiwillige können ihre Situationen zur Abrundung der Übung in der Klasse vorstellen.
Konflikte können destruktiv verlaufen und sogar eskalieren, wenn diese weiterköcheln und nicht bearbeitet werden. Das passiert insbesondere dann, wenn im Streitfall persönlich gesetzte Grenzen überschritten werden. Jeder Mensch besitzt einen sogenannten roten Knopf . Dieser markiert den Punkt, an dem eine Person wütend wird und aus der Haut fährt. Die dritte Übung stellt eine individuelle Auseinandersetzung mit persönlichen Grenzen und Gefühlen dar, die sich sogar körperlich bemerkbar machen. Wie fühlt es sich an, wenn man richtig wütend ist? Was passiert mit dem Körper, wenn Gefühle überhandnehmen? Wie können Außenstehende das wahrnehmen?
Um die Übung zur Auseinandersetzung mit persönlichen Grenzen und roten Knöpfen weiterzuführen, ist es wichtig, auch über individuelle Bedürfnisse im Konfliktfall nachzudenken. Was brauche ich im Konfliktfall? Wie kann ich mich in diesen Situationen wieder beruhigen? Wie kann ich meinen Mitschüler*innen verdeutlichen, weshalb jene Strategie die richtige für mich ist?
Diese Übung zielt somit auch auf das gegenseitige Verständnis ab, dass alle Menschen im Konfliktfall unterschiedliche Bedürfnisse haben. Diese wahrzunehmen und zu respektieren ist insofern bedeutsam, als dass jene Strategien auch im Streitfall wirksam werden können. Dies trägt dann auch zu einer gesunden Streitkultur in der Klasse bei.
Compass Classes
Die Praxismaterialien „Was ist Streit?“, „Roter Knopf “ und „Was fühlst du?“ basieren auf dem Programm Compass Classes aus den Niederlanden. Entwickelt von Inge Marit Wielinga und Elke Vroemen, bieten diese angepassten Methoden aus der Mediationsarbeit mit Erwachsenen eine vielversprechende Grundlage für Konfliktarbeit mit Grundschulkindern. Das Programm kann (kostenpflichtig) von Grundschulen gebucht werden und ist in sechs Lektionen mit praktischen und spielerischen Aufgaben aufgeteilt.
Ziel der Gründerinnen ist, dass Kinder lernen, Konflikten neugierig entgegenzublicken, über Gefühle nachzudenken und Probleme gemeinsam und respektvoll anzugehen. Die Betroffenen suchen nach einer Lösung, die möglichst alle zufriedenstellt, um so Auseinandersetzungen in der Grundschule zu normalisieren und die Schüler*innen darin zu bestärken, Probleme anzusprechen und eigenständig nach Lösungen zu suchen.
Mehr Informationen unter:
www.dialoguebv.nl/conflictmanagement/voorwie
www.kyden.com/en/
www.ruziemakeneenhelekunst.nl
CHECKLISTE
Ziel
Auseinandersetzung mit eigenen Vorstellungen von Streit und den dazugehörigen Emotionen
Zielgruppe
Grundschulklassen ab dem Alter von 9 Jahren mit fünf bis zwanzig Schüler*innen
Dauer
zwei bis drei Unterrichtseinheiten
Vorgehen
- Unterrichtseinheit thematisch einbetten, z. B. im Rahmen des Klassenrats oder im Fach Vie et Société
- Arbeitsmaterialien vorbereiten
- Arbeitsblatt „Was ist Streit?“ durchführen; gemeinsames Verständnis von Konflikten herausarbeiten
- Gefühlskarten in der Klasse vorstellen und die einzelnen Emotionen erläutern
- Emotionen mit erlebten Situationen verbinden, mit Hilfe der Übung „Emotionen“
- Übung „Mein roter Knopf“ zum Auseinandersetzen mit persönlichen Grenzen in Konfliktsituationen durchführen
- Bewusstwerden über eigene Bedürfnisse und Konfliktbewältigungsstrategien im Konfliktfall („Was brauche ich?“)
Überblick über die Materialien
Was ist Streit?
Hier werden persönliche Vorstellungen über Streit und Konflikt behandelt.
Was fühlst du?
Es wird sich mit verschiedenen Gefühlen auseinandergesetzt und diese werden konkreten Situationen zugeordnet.
Roter Knopf und Was brauche ich?
Während dieser Übungen beschäftigen sich die Kinder mit persönlichen Grenzen und Bedürfnissen.
Annaïk Garin
Annaïk Garin ist Mitarbeiterin am Zentrum fir politesch Bildung (ZpB). Ihr Schwerpunkt liegt in der non-formalen Bildung und im lebenslangen Lernen.
Vanessa Reinsch
Vanessa Reinsch studierte Sozialpädagogik und Evangelische Theologie für das Lehramt an der TU Dortmund. Sie ist Mitarbeiterin am Zentrum fir politesch Bildung.
Autor*in(nen):
Annaïk Garin / Vanessa Reinsch (2023)
Titel:
Starke Gefühle: Emotionen in Konflikten mit Kindern thematisieren
Erschienen in Ausgabe:
8 / 2023 - Konflikte bearbeiten, S. 16-18.