Geleitwort des Präsidenten der Universität Trier

 

Als der US-amerikanische Sozialwissenschaftler Daniel Bell Anfang der 1970er Jahre sein aufschlussreiches Werk über die Konturen der nachindustriellen Gesellschaft vorlegte, wählte er zur Verdeutlichung seiner Vorhersage die folgende Unterscheidung: In der güterproduzierenden Gesellschaft, also der Industriegesellschaft, werde ein Spiel gegen die Natur praktiziert. Man versuche, den Rohstoffen Herr zu werden. In der Informationsgesellschaft hingegen fände ein Spiel zwischen Personen statt. Hier werde die angemessene Beteiligung einer Vielzahl von Menschen zu einer neuen Herausforderung, weil auch entsprechende Technologien diese Partizipation zu erleichtern scheinen. Bereits damals formulierte er die Erwartung, dass die Ausweitung des Kreises der Beteiligten die Aushandlungsprozesse schwieriger machen könne: „So löst das erhöhte Mitspracherecht paradoxerweise meist nur das Gefühl einer größeren Frustration aus.“

Mit der neuen Initiative „Praxishefte Demokratische Schulkultur“ soll dem Thema „Erweiterung der Beteiligungsmöglichkeiten im schulischen Kontext“ nicht nur eine neue Plattform gegeben werden, sondern eine Handreichung zur Gestaltung entsprechender Prozesse. Kaum jemand wird die Absicht haben, damit die eben angesprochene Frustration unter den Beteiligten zu steigern. Aber zum realistischen Blick auf Beteiligung gehört eben auch, dass das kompromisslose Beharren auf der eigenen Position damit verbundene Fortschrittserwartungen zu einer Schnecke macht. Das Dilemma der Demokratie kann auch so beschrieben werden: Sie lebt von Beteiligung, ermuntert dazu, erlebt aber bei dem Weg zu einer guten Entscheidung die Knappheit geeigneter und akzeptierter Verfahren.

Die Schulen der Großregion bringen in diesen Prozess gleichsam ihre eigenen Grenzerfahrungen mit ein. Ich wünsche diesem Spezialfall von „Border Studies“ viel Erfolg und ein gutes Gespür für vorbildliche Spielregeln.

 

Univ.-Prof. Dr. Michael Jäckel

Präsident der Universität Trier