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„Die Demokratisierung von Schulen ist uns ein großes Anliegen“

Interview mit Schülersprecher*innen aus der Großregion

„Die Demokratisierung von Schulen ist uns ein großes Anliegen“, beschreibt Lucia Wagner eines ihrer Hauptmotive für das Engagement in der rheinland-pfälzischen Schülervertretung. Für mateneen sprach Maike Koböck mit ihr und weiteren Schülervertreter*innen aus Luxemburg und dem Saarland über ihre Erfahrungen.

 

Hugo Da Costa (15), Schülersprecher am Lycée Aline Mayrisch in Luxemburg-Stadt

mateneen: Wie bewertet ihr die Praxis an den Schulen? Was gelingt gut und welche Schwierigkeiten gibt es?

H.: Die Schüler*innen interessieren sich nicht genug dafür, was wir machen. Wir müssen sie überzeugen, dass wir etwas für sie tun und dass wir uns für sie einsetzen. Aber es ist schwierig, dies allen Schüler*innen zu vermitteln. Wir bräuchten dafür mehr Gelegenheiten, um mit den Klassenvertreter*innen zu reden. Wir haben das Recht, einmal im Jahr während der Schulstunden eine Versammlung mit den Klassenvertreter*innen einzuberufen. Das reicht nicht wirklich.

m.: Wo seht ihr konkreten Verbesserungsbedarf?

H.: Wir werden nicht oft genug um unsere Meinung gefragt bei Fragen, die uns betreffen, werden oft nicht einmal informiert. Des Weiteren ist die Zusammenarbeit zwischen den Schülervertretungen verschiedener Schulen nicht so gut. Es gibt zwar die nationale Schülervertretung, aber es ist nicht wirklich sichtbar, was die tun. Die müssten viel stärker in den sozialen Medien präsent sein und mit den Schüler*innen kommunizieren.

 

Laura Bombardella (16), Schülersprecherin am Lycée Nic Biever in Dudelange

mateneen: Wie bewertet ihr die Praxis an den Schulen? Was gelingt gut und welche Schwierigkeiten gibt es?

L.: Im Alltag wird oft viel gemeckert, aber durch Meckern alleine ändert sich nichts. Wir sprechen die Sachen in der Schülervertretung durch und versuchen dann Sachen zu verbessern. Wenn einzelne Vorschläge kommen, die dann nicht angenommen werden, sind die jeweiligen Schüler* innen enttäuscht. Aber wir sind bemüht, die Meinungen und Interessen aller im Blick zu halten.

m.: Was sind zentrale Themen und Forderungen, die ihr verfolgt?

L.: In der Nähe unserer Schule ist eine Straße, auf der man 50 km/h fahren darf. Dort wurden schon mehrere Schüler angefahren. Wir wollen die Geschwindigkeit auf 30 km/h begrenzen. Dafür müssen wir allerdings mit der Schule und der Gemeinde reden.

 

Lucia Wagner (18), Schülersprecherin am Rabanus-Maurus-Gymnasium in Mainz, Mitglied der rheinland-pfälzischen Landesschülervertretung und Bundesdelegierte

mateneen: Wie bewertet ihr die Praxis an den Schulen? Was gelingt gut und welche Schwierigkeiten gibt es?

L.: Das ist von Schule zu Schule sehr unterschiedlich: Es gibt Schulen, an denen es sehr gut mit der SV läuft, die haben ein richtiges Standing in der Schulgemeinschaft, werden von der Schulleitung ernst genommen und richtig unterstützt. Dann gibt es auch Schulen, da weiß man nicht einmal, was eine SV ist oder die wird nicht richtig gewählt. Da scheitert es schon an den Wahlen, die wissen überhaupt nichts von der Landesebene oder dass es eine Vernetzung auf der Stadtund Kreisebene gibt.

m.: Was sind zentrale Themen und Forderungen, die ihr verfolgt?

L.: Themen, die momentan sehr aktuell sind, sind die Abschaffung des konfessionell gebundenen Religionsunterrichts. Die Demokratisierung von Schule ist uns ein großes Anliegen, also dass beispielsweise das Konzept der Schulparlamente weiterentwickelt wird oder dass man die Gesamtkonferenz durch ein paritätisch besetztes Gremium ersetzt, in dem Eltern, Lehrkräfte und Schüler*innen die gleiche Anzahl an Stimmen haben. Auch Nachhaltigkeit ist ein aktuelles Thema: Dazu hat die LSV gemeinsam mit dem Bildungsministerium und verschiedenen Expert*innen eine Umweltplakette entwickelt. Das ist eine Auszeichnung für jede nachhaltige Schule. Ansonsten gibt es noch Überthemen in unserem Grundsatzprogramm, wie Anti-Rassismus oder Geschlechtergerechtigkeit.

 

Kimon Leners (19), Schülersprecher am Lycée des Arts et Métiers und Landesschülersprecher in Luxemburg

mateneen: Wo seht ihr konkreten Verbesserungsbedarf?
K.: Es ist nicht gut, dass die Schüler*innen im Comité d’Education in der Minderheit sind. Wir können keinen
Einfluss auf die Schulentwicklung nehmen, weil wir ohnehin immer überstimmt werden. Mit der Landesschülervertretung würden wir gerne sehr viel direkter bei der Änderung des Règlement grand-ducals über die Schülervertretung eingebunden werden.

 

Lennart-Elias Seimetz (16), Schüler an der Willi-Graf-Schule in Saarbrücken und Landesschülersprecher des Saarlandes

mateneen: Was sind zentrale Themen und Forderungen, die ihr verfolgt?

L.: Unsere Forderungen sind: ‚Mehr Lehrerinnen und Lehrer und kleinere Klassen‘, den ‚Ethikunterricht an allen saarländischen Grundschulen‘, ‚Digitalisierung‘, ‚vertiefte Berufsorientierung‘ oder die ‚gut finanzierte und solide Schulsozialarbeit‘. Regelmäßig halten wir auch Seminare für Schülervertretungen, in denen wir ihnen ihre Rechte näherbringen und sie in der Umsetzung unterstützen.

 

Justin Gesellchen (18), Schülersprecher am Illtal-Gymnasium in Illingen und Mitglied der saarländischen Landesschülervertretung

mateneen: Wie bewertet ihr die Praxis an den Schulen? Was gelingt gut und welche Schwierigkeiten gibt es?

J.: Da herrscht ein riesiges Gefälle im Saarland. Die meisten Schulen bewegen sich in einem schlechten Mittelfeld. An vielen Schulen fehlt tatsächlich die Bewegung, dass das Engagement der Schüler*innen gewürdigt wird und sich daraus auch was entwickeln kann.

m.: Was sind zentrale Themen und Forderungen, die ihr verfolgt?

J.: ‚Mitbestimmung‘ ist unser zentrales Thema. Wir haben diesbezüglich bereits Strategiepapiere veröffentlicht. Wir arbeiten aktuell dran, dass es eine Novellierung vom Schulmitbestimmungsgesetz gibt, damit endlich genau die Probleme, die wir eben schon beschrieben haben, in Angriff genommen werden können. Wir befassen uns auch mit ‚Umwelt‘ und ‚Naturschutz‘ an Schulen und wie Schulen ihren Beitrag dazu leisten können, dass wir die Klimaziele einhalten und CO2-Emissionen reduzieren können.

m.: Wo seht ihr konkreten Verbesserungsbedarf?

J.: Wir haben aktuell Mitbestimmung in der Form, dass es auf dem Papier Mitbestimmungs- und Anhörungsrechte gibt. Aber das sind meistens auch ausschließlich Rechte auf dem Papier. Weiter fordern wir, das Konzept des ‚Klassenrats‘ umzusetzen. Das wäre eine Möglichkeit, um auf Klassenebene demokratische Mitbestimmung zu realisieren, und auch da ist für uns wichtig, dass diese Mitbestimmung über die gesamte Schulzeit hinweg erfolgt. Man kann nicht erwarten, wenn man an den weiterführenden Schulen anfängt, Mitbestimmungsgremien einzuführen, dass die dann reibungslos funktionieren, wenn man vorher nie Mitbestimmung praktiziert hat.

 

Luca Wolter (17), Schülersprecher am Lycée Technique Mathias Adam in Luxemburg

mateneen: Wie bewertet ihr die Praxis an den Schulen? Was gelingt gut und welche Schwierigkeiten gibt es?

L.: Unsere Erfahrungen sind gut. Die Schule hat einen Begleiter für die Schülervertretung ernannt; der unterstützt uns und ist bei jeder Versammlung dabei. Er gibt unsere Vorschläge und Anfragen auch an die Direktion weiter. Für das Schulfest zum Beispiel haben wir ein Konzept entwickelt und die Schulleitung hat das angenommen und uns dann auch ein Budget zur Verfügung gestellt, über das wir frei verfügen können. Aber ich kann mich in den vier Jahren, in denen ich jetzt an dieser Schule bin, an kein einziges Mal erinnern, wo man nach unserer Meinung gefragt hätte.

 


Das Interview führte Maike Koböck.





Maike Koböck

Maike Koböck studiert Deutsch und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Trier und arbeitet dort als wissenschaftliche Hilfskraft im Projekt „Demokratische Schulentwicklung“.

Autor*in(nen):

Maike Koböck (2020)

Titel:

„Die Demokratisierung von Schulen ist uns ein großes Anliegen“

Erschienen in Ausgabe:

05 / 2020 - Schülervertretung, S. 13-15.

Stichwörter:
Arbeitsmaterialien
  • Langfassung Interview Schülervertretungen
Zitiervorschlag:
Maike Koböck (2020) : „Die Demokratisierung von Schulen ist uns ein großes Anliegen“, in: mateneen 05 / 2020 - Schülervertretung , S. 13-15. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-9137-a68b