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Der Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz als Plattform für Demokratiebildung und Partizipation
Das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz organisiert seit 2006 einen landesweiten Demokratie-Tag. Er dient dem Austausch, der öffentlichen Wahrnehmung und Wertschätzung der Demokratie- und Engagement-Förderung. Sein Erfolg ist das Ergebnis einer lebendigen und starken Partnerschaft.
So wird der Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz seit einigen Jahren von Partnerorganisationen des rheinland-pfälzischen Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ veranstaltet, das 2017 von Ministerpräsidentin Malu Dreyer ins Leben gerufen wurde. Mittlerweile sind über 70 Institutionen dem Bündnis beigetreten. Die Vielfalt der Netzwerkpartner setzt ein klares politisches Signal für Vielfalt und Akzeptanz, Offenheit, Menschlichkeit und sozialen Zusammenhalt. Die Mitglieder treten gegen Extremismus jeglicher Art und Demokratiefeindlichkeit ein. Die jährliche Veranstaltung soll als Forum des Austauschs dienen: für interessierte Schulen, außerschulische Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung sowie Multiplikator*innen aus dem Bereich der Demokratiepädagogik, der politischen Bildung und zivilgesellschaftlicher Initiativen in Rheinland-Pfalz.
Das Ziel der Veranstalter*innen
Die wichtigsten Zielgruppen sind neben Schüler*innen, Jugendlichen und interessierten Erwachsenen daher Akteure, die sich mit Demokratiepädagogik und Partizipation auseinandersetzen und junge Menschen an gesellschaftlichen Veränderungen beteiligen und demokratische Kompetenzen erwerben lassen wollen. In die Veranstaltung versuchen wir attraktive Formen einzubinden, bei denen die Teilnehmenden den Tag aktiv mitgestalten können. Dabei spielt auch die Nutzung neuer Medien eine bedeutende Rolle. Die Veranstaltung, die 2020 zum 15. Mal durchgeführt wurde, findet im Normalfall an einem Austragungsort als Tagesveranstaltung in Präsenz statt und besteht aus verschiedenen Teilbereichen. Ein Bühnenprogramm unter Beteiligung politischer Prominenz aus Rheinland-Pfalz findet nach einer gemeinsamen Eröffnung dabei parallel zu Workshop-Angeboten und einem offenen Ausstellungsbereich statt. Das Messekonzept bietet allen Beteiligten die Möglichkeit, sich mit ihren Themen aktiv einzubringen und die Aufmerksamkeit der Besucher*innen auf das spannende und wichtige Angebot demokratiepädagogischer Bildung zu lenken. Gerade Lehrpersonen und Schüler*innen bietet ein landesweiter Demokratie-Tag Gelegenheit zur schulübergreifenden Vernetzung mit anderen schulischen und außerschulischen Akteuren. Das Kennenlernen innovativer demokratiepädagogischer Initiativen und der Erfahrungsaustausch mit anderen Engagierten wird von vielen als motivierende Inspiration für die eigene Arbeit erlebt.
Jedes Jahr wird der im Herbst stattfindende Demokratie-Tag unter ein aktuelles Motto gestellt, das die organisierende Steuergruppe festlegt. Im vergangenen Jahr stand er unter dem Motto „Demokratie verteidigen – gemeinsam gegen Hass und Hetze“.
Der Demokratie-Tag 2019
Die letzte Präsenzveranstaltung fand 2019 vor dem Hintergrund der Proteste der „Fridays for Future“-Bewegung unter dem Motto „Zukunft. Machen. Jetzt!“ in Ingelheim am Rhein mit rund 30 Programmangeboten auf der Bühne und in Workshops sowie einer Ausstellung mit 85 Messeständen statt. Sie stieß bei den ca. 1100 Besucher*innen auf große Resonanz und wurde von ihnen als lebendige Plattform für Information und Diskussion genutzt. Vom langjährigen Lamentieren über eine wenig engagierte Jugend war nichts mehr zu spüren, denn die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit haben viele junge Menschen zu mehr Engagement motiviert, also genau zu dem, was sich viele Beteiligte immer gewünscht haben.
Da das Vorantreiben eines solchen Anliegens überwiegend junger Menschen nur in einer demokratischen Gesellschaft vonstattengehen kann, die sich auf Grundsätzen wie Gleichheit und Offenheit, Achtung der Menschenrechte und Schutz von Minderheiten gründet, wollten wir am Demokratie-Tag die dafür notwendige Plattform schaffen. Anhand einer Vielzahl von Beispielen konnte gezeigt werden, wie viele Menschen sich für eine bessere Zukunft und ein demokratisches Miteinander einsetzen.
Die Teilnehmenden konsumierten dabei nicht nur das Bühnenprogramm und die Workshops, sondern zeigten Interesse und brachten sich ein. Ob es um „digitale Zivilcourage“, Meinungsfreiheit oder Menschenrechtsbildung ging, ob Mitsprache, Gedenken oder ein „Kompetenztraining Respekt“ im Fokus standen, mit einem vielfältigen Angebot konnten die Teilnehmenden zu dem angeregt werden, was diese Gesellschaft braucht: engagierte Menschen, denen bewusst ist, dass es wichtig ist, sich einzubringen.
Einer der inhaltlichen Höhepunkte war wie in jedem Jahr das „Heiße Eck“, in dem Vertreter*innen der Landes-Schülerschaft, der kommunalen Jugendvertretungen und des Landesjugendrings bei Landtagsabgeordneten aller Fraktionen im rheinland-pfälzischen Parlament nachfragten, welche Positionen und Haltungen sie rund um die Themen Zukunft und Demokratie vertreten. Die meisten Programmpunkte und die Ausstellung fanden in der Ingelheimer Veranstaltungshalle kING sowie im benachbarten Weiterbildungszentrum Ingelheim statt. Es gelang uns, den zwischen den Gebäuden befindlichen Fridtjof-Nansen-Platz durch die Angebote des durchweg umlagerten „Heartbeat Bus“ aus Frankfurt, Europas erstem mobilen Film-, Foto- und Tonstudio zur Demokratiebildung, des aufblasbaren Fußballtors von Mainz 05 und einer Plakatausstellung zu beleben. Besonders steigerte das Angebot der Foodtrucks, die für die Mittagsverpflegung bereitstanden, die Attraktivität des Platzes. Bewerkstelligen konnten wir all dies mit einer ganzen Anzahl helfender Hände.
Der Online-Demokratie-Tag 2020
Da wir gesundheitlichen und weiteren für unser Publikum wichtigen Aspekten Sorge tragen mussten, konnten wir unser Ziel, dieses Ausstellungsformat beizubehalten, im Corona-Jahr 2020 nicht verwirklichen und haben uns für ein digitales Veranstaltungsformat entschieden. Hierbei handelte es sich um einen Wechsel des Veranstaltungsformats, der uns vor einige Herausforderungen stellte, aber auch einige Chancen bot.
Aus dem ursprünglichen Plan einer digitalen Lösung mit einer kleineren Präsenzphase wurde am Ende ein fast rein digitales Format, das wir auf die drei Teilbereiche Bühnenprogramm, Workshop-Formate und Ausstellungsbereich übertragen haben. Da dies nicht im üblichen Zeitrahmen von etwa sechs Stunden bei der Tagesveranstaltung zu leisten war, haben wir uns für eine Aufteilung auf mehrere aufeinanderfolgende Tage entschieden. So wurden aus einem Demokratie-Tag im virtuellen Raum drei Tage. Vom 4. bis 6. November 2020 haben wir mit Unterstützung der Beteiligungsagentur aus Leipzig, unserer Medienpartner und einem Team vom Offenen Kanal der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz eine Veranstaltung im neuen Format auf die Beine gestellt. Der Workshop- und der Ausstellungsbereich wurden virtuell umgesetzt und das Bühnenprogramm gestreamt. Landtagspräsident Hendrik Hering besuchte die Ausstellungsstände auf einem virtuellen Rundgang.
Zwar kann man davon ausgehen, dass durch die Live-Übertragungen eine größere Anzahl von Zuschauer*innen erreicht werden konnte, den Mitmach-Charakter des Demokratie-Tags konnte man trotz eingesetzter digitaler Tools in diesem Format jedoch nur bedingt erhalten. Der persönliche Austausch ist nicht einfach zu ersetzen.
Auch wenn viele Teilnehmende, z. B. aus der Zielgruppe der Schulen, durch die Entwicklung der Corona-Situation im vergangenen Jahr stark belastet waren und sich gegen eine Teilnahme entschieden, konnten andere Besucher*innen über die Landesgrenzen hinaus gewonnen werden, die zur ganztägigen Live-Veranstaltung nicht nach Ingelheim gekommen wären. Dies gilt z. B. auch für die Zielgruppe der Berufstätigen, die mit eigenen Angeboten angesprochen wurde. Sicherlich haben sich einige Punkte beim ersten Mal als verbesserungsfähig für eine künftige ähnliche Version gezeigt, jedoch war es allen Beteiligten und Veranstaltern wichtig, ein Zeichen zu setzen. Wir haben die Veranstaltung unter schwierigen Voraussetzungen mithilfe von engagierten Programmanbietenden und Ausstellungsmachenden durchgeführt, denn wir wollten uns nicht unterkriegen lassen.
Informationen zum nächsten Demokratie-Tag
finden Sie unter: https://demokratietag-rlp.de. Dort sind auch Videos und Bilder aus den Demokratie-Tagen der Vorjahre abrufbar.
Das rheinland-pfälzische Bündnis „Demokratie gewinnt!“
Rund 70 Organisationen aus Rheinland-Pfalz engagieren sich im Bündnis „Demokratie gewinnt!“ dafür, junge Menschen frühzeitig an Demokratie, Beteiligung und freiwilliges Engagement heranzuführen. Unter der Schirmherrschaft von Ministerpräsidentin Malu Dreyer will das Bündnis dazu beitragen, die Lern- und Lebensorte von Kindern und Jugendlichen demokratisch und partizipativ zu gestalten, damit sie von klein auf demokratische Haltungen und Kompetenzen erwerben können.
Homepage: https://demokratie-gewinnt.rlp.de
Andreas Kreiner-Wolf
leitet den Programmbereich „Demokratie und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ am Weiterbildungszentrum Ingelheim (WBZ) und die Geschäftsstelle des Bündnisses „Demokratie gewinnt!“ Rheinland-Pfalz
Autor*in(nen):
Andreas Kreiner-Wolf (2021)
Titel:
Der Demokratie-Tag Rheinland-Pfalz als Plattform für Demokratiebildung und Partizipation
Erschienen in Ausgabe:
6 / 2021 - Tag der Demokratie, S. 15-17.