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Individuelles ehrenamtliches Engagement vor Ort als Lerngelegenheit

Für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist ehrenamtliches Engagement – ob in Sportvereinen oder in der Politik, bei der Feuerwehr oder in der Integrationshilfe – von großem Wert. Schüler*innen können hier außerdem demokratiepädagogisch wertvolle Erfahrungen sammeln, sich extracurricularen Themen widmen und ihrer Schule Öffnungs- und Kooperationsmöglichkeiten erschließen.

Das Engagement der Bürger*innen „ist unerlässlich für individuelle Teilhabe, gesellschaftliche Integration, Wohlstand, das kulturelle Leben, stabile demokratische Strukturen und soziale Bindungen.“1 Die Relevanz des Ehrenamtes für die Demokratie zeigt gleichzeitig auch die Lernmöglichkeiten für die politische Bildung und das Demokratielernen auf, die darin liegen.

Hier bietet sich die Chance, durch gemeinsames, institutionenübergreifendes ehrenamtliches Engagement einerseits die Entwicklung der Schul- oder Kindergartengemeinschaft durch gemeinsame demokratische Erfahrungen zu fördern. Andererseits besteht die Gelegenheit, die Institutionen für Partner*innen aus der Zivilgesellschaft zu öffnen. So können auch extracurriculare Themen und Expertise aus der „realen Welt“ einbezogen werden. Im Rahmen von ehrenamtlichem Engagement in der Schule haben die Lernenden daher die Chance, Verantwortung zu übernehmen, Perspektivwechsel zu vollziehen, wichtige Selbstwirksamkeitserfahrungen zu sammeln, und nicht zuletzt besteht dabei die Möglichkeit, generationenübergreifend und integrativ Menschen zusammenzubringen. Politische Lernprozesse entstehen dabei in der Erfahrung mit individueller Teilhabe sowie gesellschaftlicher Integration. Damit die dabei gesammelten Erfahrungen zu wirklichen Lerngelegenheiten politischer Bildung oder des Demokratielernens werden, gilt es, einige Aspekte zu beachten:

Organisation

Ehrenamtliches Engagement kann in verschiedenen Bereichen stattfinden. Möglich ist es zum Beispiel im Rahmen von Activités parascolaires oder Demokratietagen, bei denen die Lernenden die Gelegenheit haben, ehrenamtliches Engagement kennenzulernen und aufzunehmen.

Zunächst gilt es, ein Projekt auszuwählen und die Ziele zu definieren. Dazu wenden sich die Lernenden idealerweise mit Anliegen an Ansprechpartner*innen an den Schulen, die sie selbst betreffen oder bewegen. Diese Aufgabe können Betreuer* innen der Schülervertretung, Sozialpädagog* innen, aber auch Klassenlehrer*innen oder Vertrauenslehrer*innen übernehmen. Es können einerseits kurzfristig angelegte Projekte umgesetzt werden, wenn bei dem Engagement auf ein bestimmtes, innerhalb eines festen Zeitrahmens erreichbares, Ziel hingearbeitet wird. Andererseits kann es Projekte geben, die langfristig und auf Verstetigung angelegt werden. In jedem Fall ist es wichtig, dass eine Ansprechpartner*in gemeinsam mit Schüler*innen federführend die Verantwortung übernimmt, um zu verhindern, dass das Engagement „im Sand verläuft“. Auch Eltern oder Personen aus der Zivilgesellschaft, wie Vertreter*innen von Vereinen oder Bewegungen können mitarbeiten. Ehrenamtliches Engagement erfordert oft die Kooperation der Lehrenden und Betreuenden sowie der beteiligten externen Personen, denn auf diese Weise können das notwendige Wissen und Erfahrungen geteilt werden. Zudem ist in vielen Fällen abzuklären, ob ggf. behördliche Genehmigungen einzuholen oder administrative Vorbereitungen zu erledigen sind. Je nach Altersstufe bietet sich an dieser Stelle bereits eine erste Gelegenheit, für die Lernenden aktiv zu partizipieren, indem sie recherchieren, welche Vorkehrungen getroffen werden müssen, und Verantwortung für die Organisation übernehmen.

Besonderheiten des Lernens beim Engagement vor Ort

Ehrenamtliches Engagement ist in allen Altersgruppen und Schulformen möglich. Im Gegensatz zu LdE, das zumeist im Klassenverband durchgeführt und unterrichtlich begleitet wird, ist ehrenamtliches Engagement als klassen- und/oder organisationsübergreifendes Konzept gedacht. Es setzt dort an, wo die Lernenden eigene Interessen erkennen und sich dementsprechend gemeinsam engagieren wollen. Dies kann z.B. in Form von dafür gegründeten Arbeitsgemeinschaften, AdHoc-Gruppen oder Bewegungen geschehen. Insbesondere die Ausweitung der Ganztagsschulen in Deutschland, wie es in Frankreich und Luxemburg mit den Maisons relais schon üblich ist, bietet Chancen für extracurriculares ehrenamtliches Engagement.

Wichtig ist, dass sich die Lernenden freiwillig engagieren und dabei selbstständig Themen einbringen können. Außerdem darf an der Institution kein sozialer Druck zur Teilnahme bestehen.2

Ressourcen

Ehrenamtliches Engagement kostet Lehrkräfte und Lernende Zeit und Energie. Es ist wichtig, dass ausreichend Zeit für die inhaltliche, didaktische aber auch pädagogische Begleitung des Engagements vorhanden ist. Dies kann im Rahmen von im Zusammenhang mit dem Engagement gegründeten Arbeitsgruppen, Gesprächsgruppen oder Einzelgesprächen passieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die (politischen) Lernprozesse nicht ausreichend reflektiert werden können. Darüber hinaus sollten die Lehrkräfte auch vorbereitet sein, mit Frustration bei Problemen umzugehen oder gar das Scheitern von Projekten abzufangen, um zu verhindern, dass es durch nicht reflektierte enttäuschende Erfahrungen zu Politikverdrossenheit kommt.

 


Beispielthemen

  • Betreuung lokaler Grünflächen (z.B. im Rahmen von Urban Gardening Projekten)
  • Entwicklung von Solarparks vor Ort (z.B. mit lokalen Energieagenturen)
  • seltene Arten schützen, die vor Ort heimisch sind (z.B. mit lokalen Bürgerinitiativen)
  • Schulsanitätsausbildung organisieren (mit z.B. dem Roten Kreuz)
  • Integrationspaten ausbilden (z.B. mit lokalen Antirassismus-NGOs)
  • Mediationsgruppe bilden
  •  Organisation von interkulturellen Festen
  • Schulweg-Pat*innen (kindertagesstätten- und schulübergreifend; ggf. auch mit der Polizei)
  • Sportprogramm für die Pausen organisieren (z.B. mit ortsansässigen Turn- und Sportvereinen)
  • Sprachtandem-Projekte organisieren (z.B. für Eltern und Kinder)

 


CHECKLISTE
Individuelles ehrenamtliches Engagement vor Ort als Lerngelegenheit

Ziel

Ehrenamtliches Engagement als Lerngelegenheit für politische Bildung und Demokratielernen nutzen.

Zielgruppe

Alle Jahrgänge: vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe II

Dauer

Langfristig angelegte Projekte oder fallbezogenes kurz- oder mittelfristiges Engagement

Vorgehen, wenn sich Lernende engagieren wollen
  • Anliegen klären
  • Administrative und institutionelle Hürden abklären
  • Externe oder interne Partner*innen recherchieren
  • Verantwortungsübernahme klären
  • Mit den Lernenden das Engagement organisieren
  • Begleitung und Reflexion des Prozesses

 


1 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2020): Die Bedeutung von Ehrenamt und bürgerschaftlichem Engagement. URL: https://www.bmi.bund.de/DE/themen/heimat-integration/buergerschaftliches-engagement/bedeutung-engagement/engagement-artikel.html

2 Vgl. Frank Nonnenmacher (2011): Handlungsorientierung und politische Aktion in der schulischen politischen Bildung. Ursprünge, Grenzen und Herausforderungen. In: Benedikt Widmaier und Frank Nonnenmacher (Hg.): Partizipation als Bildungsziel. Politische Aktion in der politischen Bildung. Schwalbach/Ts.: Wochenschau, S. 95-98.





Anna Krekeler

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Didaktik der politischen Bildung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Sie lehrt und forscht zu Bildung für nachhaltige Entwicklung und fächerübergreifendem Lernen.

Autor*in(nen):

Anna Krekeler (2022)

Titel:

Individuelles ehrenamtliches Engagement vor Ort als Lerngelegenheit

Erschienen in Ausgabe:

7 / 2022 - Schule öffnen und vernetzen, S. 29-32.

Stichwörter:
Arbeitsmaterialien
  • Das Engagement planen (Leitfaden für Lehrpersonen)
Zitiervorschlag:
Anna Krekeler (2022) : Individuelles ehrenamtliches Engagement vor Ort als Lerngelegenheit, in: mateneen 7 / 2022 - Schule öffnen und vernetzen , S. 29-32. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-fd93-9fa5