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Demokratische Schulentwicklung mit Open Space: Teilhabe für die ganze Schulgemeinschaft

Schule entwickeln – ohne feste Tagesordnung, ohne starres Rednerpodium mit festgelegten Beiträgen und alle Mitglieder der Schulgemeinschaft können frei entscheiden, was sie wann tun möchten und werden mit ihren Ideen und Anliegen gehört. Klingt das sowohl interessant, als auch ein wenig verrückt? Open Space als Werkzeug zur demokratischen Schulentwicklung macht es möglich.

Das Konzept des Open Space richtet sich explizit an Großgruppen und ist damit für den Einsatz im Rahmen einer Schulgemeinschaft sehr gut geeignet. Ziel von Open Space ist es, allen Teilnehmenden einen Veranstaltungsrahmen zu geben, in dem sie sich freiwillig, kreativ, offen und eigenverantwortlich an Veränderungs- und Gestaltungsprozessen beteiligen können.

Das Open-Space-Prinzip wurde von Harrison Owen entwickelt.1 Sein Ausgangspunkt liegt in der Betrachtung von Kommunikation: Owen hatte beobachtet, dass Teilnehmende von Konferenzen oder Besprechungen häufig die Kaffeepausen, in denen sie sich ungezwungen und ohne Moderation nach Belieben mit anderen Teilnehmenden austauschen konnten, als die interessantesten und fruchtbarsten Phasen solcher Großveranstaltungen bewerteten. Dies ist nachvollziehbar, da die Kommunikation während dieser Pausen nicht fremdbestimmt wird, sondern jede Person ihre Gesprächspartner*innen nach Belieben und abhängig von den eigenen Interessen selbst wählen kann, hierbei auf Augenhöhe Kontakte knüpfen und weiteren Austausch anstoßen kann. Diese Vorteile gleichberechtigter und ungesteuerter Kommunikation lassen sich mit der Open-Space-Methode auch auf komplexe Projekte aus der Schulentwicklung übertragen. Dieser Anwendungsbereich eignet sich insofern besonders für den Einsatz dieses Konzepts, da Open Space auf folgenden Voraussetzungen beruht:

  • Das zu bearbeitende Thema ist komplex,
  • Es darf kein vorab feststehendes Ergebnis geben,
  • Die Teilnehmenden sollten möglichst heterogen zusammengesetzt sein, um verschiedene Perspektiven und Meinungen zum Thema zu versammeln.

Diese Kriterien treffen auf Schulentwicklungsprojekte in der Regel zu, da die betroffenen Akteur*innen von der Schulverwaltung über das Schulpersonal und die Eltern bis hin zu den Schüler*innen sehr vielfältig sind, ebenso wie deren Wünsche an Schulentwicklung und ihr Interesse an demokratischer, gleichberechtigter Teilhabe am Entwicklungsprozess. Die Methode eignet sich sowohl für kleine Gruppen wie eine Schulklasse als auch für große Versammlungen beispielsweise des gesamten Kollegiums oder der ganzen Schulgemeinschaft.

Selbstorganisiertes Arbeiten in kleinen und großen Gruppen

Open-Space-Veranstaltungen brauchen als Rahmenbedingungen einen Veranstaltungsort mit mehreren Arbeitsräumen oder -bereichen und einem zentralen Versammlungsort mit großer Pinnwand sowie die Teilnehmenden selbst. Diese tragen zu Beginn der Veranstaltung nach einer Einführung durch neutrale Moderator*innen ihr Anliegen, an dem sie gern arbeiten oder das sie diskutieren möchten, auf der zentralen Pinnwand ein: Nun können alle Teilnehmenden schauen, in welchem Raum zu welcher Zeit welches Anliegen bearbeitet wird und sich, ihren eigenen Interessen folgend, einer solchen, sich spontan bildenden Arbeitsgruppe anschließen. Die einen möchten vielleicht über Feedbackkultur im Unterricht sprechen, andere über eine Veränderung des Pausenhofs, über eine Reform der Schülermitbestimmung oder über etwas ganz anderes – jedes Thema ist erlaubt und kann frei und selbstbestimmt gewählt werden. Und natürlich ist es möglich und erwünscht, Arbeitsgruppen zwischendrin zu wechseln. Durch dieses Prinzip der Selbstorganisation werden die Teilnehmenden motiviert, sich aktiv einzubringen und sehen, dass ihre Themen werden. Die Ergebnisse der einzelnen Gruppen werden nach Ablauf der vorab bestimmten Arbeitszeit auf vorstrukturierten Dokumentationsbögen festgehalten, um sie später auf der zentralen Dokumentationswand zusammenzutragen. Hier schließt sich die Phase der Handlungsplanung an: Wie wird mit den vielfältigen Ideen und Ergebnissen umgegangen, wer kümmert sich mit wem um was und wann findet das Nachtreffen statt, bei dem eine erste Zwischenbilanz gezogen und die nächsten Umsetzungen geplant werden? Auch diese Planungen werden schriftlich festgehalten, um sie für alle nachhaltig und bindend zu gestalten.

Darüber steht das Gesetz der zwei Füße: Alle Teilnehmenden wissen selbst am besten, welche Ideen und Diskussionsanregungen sie haben. Sie sollen daher an den Stellen mitgestalten, von denen sie denken, dass sie sich dort am besten einbringen oder wo sie etwas Neues lernen können. Diese Selbstverantwortlichkeit soll genutzt werden, um individuell zu entscheiden, wie und wo der Gestaltungsprozess im Open Space am besten bereichert werden kann.

Diese Prinzipien zeigen, dass Open Space eine Methode ist, bei der alle Beteiligten sich nach ihren Vorstellungen gemeinsam beteiligen können: gleichberechtigt, kreativ, frei und kommunikativ. Daher ist das Konzept nicht geeignet, wenn Schulentwicklung als linearer und vorab durchstrukturierter Prozess betrachtet wird. Wenn jedoch alle Interessengruppen aktiviert und beteiligt werden sollen und die Initiator*innen auch mit einem vorher nicht in Erwägung gezogenen Ergebnis gut leben können, weil sie ergebnisoffen und basisdemokratisch an Schulentwicklung herangehen und alle Impulse wertschätzen möchten, dann ist Open Space ein wertvolles Instrument für den Gestaltungsprozess.

 


1 Vgl. Harrison Owen (2018): Open Space Technology. Ein Leitfaden für die Praxis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel-Verlag.


Grundprinzipien
des Open Space

Open Space basiert auf einigen wenigen, aber zentralen Grundprinzipien, die es von anderen Animations- oder Organisationsformen unterscheidet und für den Einsatz mit Großgruppen so interessant und effektiv macht:

1 Alle Teilnehmenden sind die richtigen Teilnehmenden.

Jede Person, die etwas beitragen möchte, kann und darf sich beteiligen: Schulleitung, Lehrkräfte, Verwaltung, Eltern oder Schüler*innen

2 Was auch geschieht: Es konnte nur so geschehen.

Es ist nur wichtig, was in der Situation des Open Space passiert, nicht, was es an Erwartungen oder Vorwissen gibt oder nicht gibt.

3 Das Event startet immer zur richtigen Zeit.

Ideen, Meinungen und konkrete Vorstellungen entstehen nicht auf Knopfdruck, sondern nach ihrem eigenen Rhythmus und immer zur rechten Zeit.

4 Es ist vorbei, wenn es vorbei ist.

Wenn ein Anliegen nach einer halben Stunde geklärt ist, wird die entsprechende Gruppe aufgelöst. Wird mehr Zeit benötigt, kann diese neu verabredet werden.

 


Checkliste
Open Space Methode

Ziel

Kreative und selbstgesteuerte Entwicklung von Projektideen und Problemlösungen

Zielgruppe

Geeignet für Gruppen von 20 bis 2000 Personen

Vorgehen
  • Problemorientiertes, offenes Thema formulieren und Zielgruppe rechtzeitig einladen
  • Vorbereitung von Räumen, Dokumentationswänden und Plakaten mit den Regeln des Open Space
  • Begrüßung der Teilnehmenden durch die Moderator*innen und Einführung in die Methode
  • Entwicklung von Anliegen
  • Bearbeitung der Anliegen in mehreren Arbeitsphasen bei freier Gruppenbildung
  • Vorstellung der Ergebnisse und Entwicklung konkreter Vorhaben zur Umsetzung
Tipp

Bei größeren Gruppen ist es hilfreich, externe Open-Space-Begleiter*innen mit der Moderation zu beauftragen.





Dr. Julia Frisch

Julia Frisch lehrt und forscht am Arbeitsbereich Didaktik der Gesellschaftswissenschaften der Universität Trier zu den Schwerpunkten transnationales, interkulturelles und digitales Lehren und Lernen.

Autor*in(nen):

Dr. Julia Frisch (2018)

Titel:

Demokratische Schulentwicklung mit Open Space: Teilhabe für die ganze Schulgemeinschaft

Erschienen in Ausgabe:

01 / 2018 - Demokratiepädagogische Schulentwicklung, S. 20-23.

Stichwörter:
Arbeitsmaterialien
  • Dokumentationsbogen & Dokumentation der weiteren Handlungsplanung
  • Formulaire de documentation & documentation de la planification suivante
Zitiervorschlag:
Julia Frisch (2018) : Demokratische Schulentwicklung mit Open Space: Teilhabe für die ganze Schulgemeinschaft, in: mateneen 01 / 2018 - Demokratiepädagogische Schulentwicklung , S. 20-23. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-0a70-6b67