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Die demokratische Schule gestalten: Partizipative Schulentwicklung am Demokratietag

Ein Demokratietag bietet die Möglichkeit, die demokratiepädagogische Schulentwicklung in den Blick zu nehmen, den aktuellen Stand der Partizipationsmöglichkeiten, Arbeitsgruppen und Gremien zu reflektieren und gemeinsam neue Vorhaben und Projekte anzustoßen und für die Schulgemeinschaft zu gestalten.

In dem Maße, wie Demokratietage Gelegenheiten darstellen, sich mit Grundfragen des demokratischen Zusammenlebens zu beschäftigen, sollten sie auch Raum geben, das tatsächliche soziale Miteinander der Schulgemeinschaft zu betrachten. Die eigene demokratische Schul- und Unterrichtskultur kann reflektiert und gemeinsam weiterentwickelt werden. Demokratietage bieten die Chance, Bestehendes zu evaluieren und zu verbessern oder neue Ideen und Projekte zur Stärkung des demokratischen Schullebens anzugehen. Gemeinsam und auf Augenhöhe können Lernende, Schulpersonal, Eltern und Schulleitung Verantwortung für ihre Schule übernehmen, eigene Interessen und Anliegen formulieren, diskutieren und aushandeln.

Reflexion bestehender demokratischer Bausteine und verankerter Strukturen

Beispielsweise bietet es sich an, die demokratischen Bausteine unter die Lupe zu nehmen. Wie zufrieden sind die Schüler*innen und Lehrkräfte mit dem Klassenrat oder der Schüler*innenbeteiligung? Wie können Partizipationsstrukturen und -praxis gestärkt werden? Gibt es Projekte, die angestoßen wurden, aber stagnieren? Im Schulalltag bleibt meist keine Zeit für diese Fragen. Zudem werden schulische Partizipationsmöglichkeiten oft nur bei Problemen hinterfragt. Die Schule kann mit dem Demokratietag jedoch die Chance nutzen, demokratiepädagogische Schulentwicklung voranzutreiben und dabei die Schüler*innen und das pädagogische Personal gleichermaßen mitzunehmen und für aktive Beteiligung zu gewinnen. Zugleich können auch neue Projekte ins Auge gefasst werden: Welche Ideen gibt es für die Neugestaltung des Pausenhofs? Wie stellen sich die unterschiedlichen Gruppen ihre Schule der Zukunft vor? Welche Vorschläge haben sie, das Schulleben zu innovieren und für alle attraktiver zu gestalten? Wie können Herausforderungen wie Mobbing oder die Öffnung und Vernetzung der Schule in der Region angegangen werden?

Konkrete Entwicklungsziele setzen

Bei der Themenwahl ist es wichtig, ein konkretes, konstruktives Entwicklungsziel zu formulieren und alle Beteiligten frühzeitig in die Entscheidung einzubeziehen. Unter Umständen können von den schulischen Beteiligungsgremien Vorschläge für eine entsprechende Fragestellung diskutiert und im Anschluss der Schulgemeinschaft zur Abstimmung vorgelegt werden. In der Durchführung bieten sich, je nach Themenstellung, Großmethoden wie Open Space oder eine Zukunftswerkstatt an (siehe mateneen 1/2018), die es allen ermöglichen, auf kreative Weise ihre Ideen in den Prozess einzubringen und in unterschiedlichen Arbeitsgruppen und -formaten ergebnisoffen zu diskutieren. Mit der Vorbereitung selbst sollte ein Organisationsteam beauftragt werden, dem Lernende, Eltern und Schulpersonal gleichermaßen angehören. Externe Moderator*innen einzubeziehen, um den Tag professionell und zielführend zu gestalten und die schulischen Akteur*innen zu entlasten, kann sinnvoll sein.

Zugleich ist das Bewusstsein bei allen Beteiligten wichtig, dass ein solcher Demokratietag kein solitäres Ereignis bleibt. Vielmehr müssen die entstandenen Ideen aufgegriffen, weiterentwickelt und konkretisiert werden. Er stößt Veränderungsprozesse im Schulleben an, die für alle sichtbar sein sollten. Das setzt die Bereitschaft der Verantwortungsträger*innen voraus, die entstandenen Ideen zu prüfen, soweit möglich und sinnvoll umzusetzen und die Schulgemeinschaft über die Ergebnisse zu informieren. Vielfach entstehen an Demokratietagen Arbeitsgruppen, die ihre Projekte langfristig verfolgen und Verantwortung übernehmen wollen. Diese gilt es zu unterstützen.

Schließlich verlaufen partizipative Schulentwicklungsprozesse nie konfliktlos. Unterschiedliche Interessen müssen verhandelt, Verständnis für andere entwickelt und Kompromisse gefunden werden. Werden entsprechende Entwicklungen konstruktiv und fair geführt, stärkt das nicht nur die demokratische Kompetenz und Selbstwirksamkeit der Schüler*innen, sondern die Schulgemeinschaft insgesamt.

Zeitpunkt ist entscheidend

Je nachdem, wann der Demokratietag im Schuljahr situiert wird, verändern sich seine Zielsetzung und Schwerpunkte. Sollte der Demokratietag in den ersten Monaten eines neuen Schuljahres stattfinden, kann dies als Gelegenheit genutzt werden, einen Schulentwicklungsprozess anzustoßen. Dies könnte beispielsweise durch ein Audit geschehen, bei dem eine Gruppe von Schüler*innen und Lehrpersonen ein bestimmtes Thema in diesem Schuljahr bearbeitet. Gleichwertigkeit zur Reduktion von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit oder die Leitlinien der Schule sind thematische Optionen.

Ist der Demokratietag für die Mitte eines Schuljahres geplant, bietet sich eine Reflexion über die bestehenden Partizipationsmöglichkeiten, das demokratische Schulleben oder Schulentwicklungsprozesse an. Hier können Veränderungsbedarfe eruiert und Maßnahmen für das restliche Schuljahr geplant und umgesetzt werden.

Soll der Demokratietag am Ende eines Schuljahres stattfinden, können das demokratische Schulleben und die Umsetzung formulierter Entwicklungsziele reflektiert und ausgewertet werden. Konkrete Maßnahmen können hier nicht mehr geplant werden, da es im neuen Schuljahr zu einer veränderten Zusammensetzung der Schülerschaft und des Lehrpersonals kommen kann.

 


CHECKLISTE
Demokratietag als Anlass partizipativer Schulentwicklung

Ziel

Mit Schüler*innen, Schulpersonal und Eltern Partizipationsmöglichkeiten reflektieren, die demokratiepädagogische Schulentwicklung und die Selbstwirksamkeitsüberzeugung von Schüler*innen fördern.

Zielgruppe

Jede Schulform (auch in Grundschulen und in der beruflichen Bildung)

Dauer

Ein bis zwei Tage, idealerweise jedes Jahr bzw. durch eine Nachbereitung flankiert

Vorgehen
  • Demokratietag auf Schul- und Unterrichtsebene vorbereiten und einen geeigneten Zeitpunkt definieren.
  • Unter Einbeziehung und Mitwirkung der Schüler*innen Themen und Methoden festlegen.
  • Die Schüler*innen die Arbeitsgruppen/Workshops nach Interesse auswählen lassen.
  • Vorstellung der Ergebnisse einzelner Arbeitsgruppen/Workshops mit anschließender Abschlussreflexion.
  • Dokumentation des Tages und der daraus folgenden Maßnahmen.
  • Überprüfung vereinbarter Maßnahmen, mögliche Anpassungen vornehmen.
Tipp

Externe Moderator*innen können bei den Entwicklungsprozessen professionell und konstruktiv unterstützen.

 


 

Der Tag, an dem wir über unsere Schule nachdenken – was es zu beachten gilt

1. Zeitpunkt

Am Anfang des Schuljahres = Planung für das Schuljahr

In der Mitte des Schuljahres = Reflexion und Planung für das weitere Schuljahr

Am Ende des Schuljahres = Reflexion und Auswertung

2. Vorbereitung

Der Demokratietag sollte im Vorhinein mit den Schüler*innen in den jeweiligen Klassen erörtert und vorbereitet werden.

3. Einbeziehung/Beteiligung

Die Schüler*innen sollten in die Planung des Demokratietages einbezogen und tatsächlich beteiligt werden.

4. Gremien und Arbeitsgruppen

Gremien und Arbeitsgruppen profitieren von einer langfristigen Begleitung durch Schulpersonal oder außerschulische Partner*innen im Hinblick auf Kontinuität und Wissenstransfer.

5. Be creative

Für den Demokratietag sollten kreative Formen für Reflexion und Planung wie Zukunftswerkstätten, Brainwriting oder Ähnliches benutzt werden.

6. Auswahl nach Interessen

Der Demokratietag sollte eine Bandbreite an Angeboten beinhalten, welche die Schüler*innen nach Interessen auswählen können.

7. Nachbereitung

Der Demokratietag sollte ausgewertet, die Ergebnisse öffentlich gemacht und in den jeweiligen Klassen diskutiert werden.

8. Nachhaltigkeit

Nach einem vorher festgelegten Zeitplan sollten bestimmte Maßnahmen überprüft und eventuell nachgesteuert werden.





Christine Achenbach-Carret

arbeitet an der Universität Trier in der Didaktik der Gesellschaftswissenschaften. Sie forscht zu Demokratiebildung und Vorstellungen von Lehrpersonen der beruflichen Bildung.

Autor*in(nen):

Christine Achenbach-Carret (2021)

Titel:

Die demokratische Schule gestalten: Partizipative Schulentwicklung am Demokratietag

Erschienen in Ausgabe:

6 / 2021 - Tag der Demokratie, S. 26-28.

Stichwörter:
Zitiervorschlag:
Christine Achenbach-Carret (2021) : Die demokratische Schule gestalten: Partizipative Schulentwicklung am Demokratietag, in: mateneen 6 / 2021 - Tag der Demokratie , S. 26-28. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-7a78-ccee