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Schulentwicklung aus Schülersicht: Zukunftswerkstatt „Meng Schoul – Eis Schoul“

„Wie cool wäre es, wenn wir Schüler einen eigenen TV-Sender hätten?“, schwärmt Sophie. „Vielleicht lieber ein Webchannel, damit man unsere Berichte von überall sehen kann,“ ruft Max. „Auf jeden Fall sollte es um Themen gehen, die uns Schülern wichtig sind“, sind sich die beiden einig. Gemeinsam grübeln sie: Ist das rechtlich überhaupt möglich? Wer kann uns dabei helfen? …

Wenn wir Schüler*innen danach fragen, wie sie sich ihre Schule in Zukunft vorstellen, eröffnen sie uns neue Perspektiven für die Schul- und Unterrichtsentwicklung. Zukunftswerkstätten können hierfür den idealen methodischen Rahmen bieten. Die Teilnehmenden entwickeln eigene, kreative Antworten auf reale Probleme und setzen sich erfahrungsgemäß mit großem Engagement für die Umsetzung von Verbesserungen ein. In der demokratischen Schule gestalten Schüler*innen das soziale Miteinander und die Schulentwicklung mit. Um dies selbstbestimmt tun zu können, benötigen sie Klarheit über ihre eigenen Interessen und über die praktischen Partizipationsmöglichkeiten an der Schule. Deshalb bietet die Zukunftswerkstatt „Meng Schoul – Eis Schoul“ den Schüler*innen einen strukturierten Rahmen für die Formulierung eigener Interessen und für die selbstständige Entwicklung von Projekten, die das Schulleben verbessern.

 


Phasen einer Zukunftswerkstatt

  • Vorbereitungsphase
  • Kritikphase
  • Phantasiephase
  • Verwirklichungsphase
  • Nachbereitungsphase

Vgl. Robert Jungk; Norbert R. Müllert (1981): Zukunftswerkstätten. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag, S. 74f.


Ideenentwicklung in fünf Schritten

Die klare Phasenstruktur der Zukunftswerkstatt ermöglicht es den Beteiligten, schrittweise ihren Sinn für das Mögliche und Machbare zu erweitern, ambitionierte, neue Ideen zu entwickeln und konkrete Vorhaben zu planen:

Phase 1: Vorbereitungsphase

Vor Beginn der eigentlichen Zukunftswerkstatt sollten Schüler*innen über die Ziele und den Verlauf der Zukunftswerkstatt informiert und offene organisatorische Fragen geklärt werden.

Phase 2: Kritikphase

Damit die Zukunftswerkstatt zu wirklichen Verbesserungen führen kann, müssen zunächst real existierende Probleme aufgedeckt werden. Die Schüler*innen sind daher gebeten, sich in Einzelarbeit auf einem Blatt Stichpunkte zu den folgenden Fragen zu notieren:

  • Was stört dich in deiner Klasse oder Schule?
  • Worüber ärgerst du dich im Unterricht oder im schulischen Miteinander am meisten?
  • Was fehlt dir und worauf würdest du lieber verzichten?

Wenn anschließend die Stichpunkte in der Klasse gesammelt werden, ist es wichtig, dass alle Schüler*innen zu Wort kommen und ihre Aliegen äußern können.

Nachdem jeder Einzelne seine Probleme benannt hat und diese gesammelt wurden, ist in einem weiteren Schritt zu ermitteln, welche der genannten Probleme auch in Bezug auf die Gruppe von besonderer Relevanz sind und in der Zukunftswerkstatt gemeinsam weiterverfolgt werden sollen. Manchmal stellt sich bereits in der Vorstellungsrunde ein Problem als zentral heraus. Anderenfalls können Schüler*innen beispielsweise durch die Vergabe von Punkten anzeigen, welche Probleme ihnen am wichtigsten sind. Je nachdem, wie deutlich das Ranking ausfällt, kann an einem einzigen Problem oder in Arbeitsgruppen an einer kleinen Auswahl von zwei oder drei Problemen weitergearbeitet werden.

Phase 3: Phantasiephase

Nun ist es an der Zeit, innerhalb des vereinbarten Handlungsfelds zu träumen und dem Problem einen Idealzustand entgegenzustellen: „Wie wäre eure Schule, wenn es dieses Problem nicht gäbe? Wie stellt ihr euch eure perfekte Schule vor, welche wünscht ihr euch?“ Je nach Lerngruppe bieten sich unterschiedliche methodische Zugänge an: von der Erstellung einer Mindmap, über das Zeichnen eines Bildes, bis hin zur Durchführung einer Fantasiereise. Wichtig ist es, individuelle Kreativitätsprozesse nicht zu sehr durch inhaltliche oder formale Vorgaben einzuschränken und zu betonen, dass den Gedanken keinerlei Grenzen gesetzt sind, dass für einen Moment von idealen finanziellen, räumlichen, technischen, gesellschaftlichen und sonstigen Rahmenbedingungen ausgegangen werden kann und dass es zunächst kein Richtig oder Falsch gibt. Auch ein verfrühter Austausch mit den Mitschüler*innen kann den individuellen gedanklichen Horizont einengen. Jeder überlegt zunächst für sich alleine und auf dieser Basis können im Anschluss die vielen verschiedenen Ideen zu zweit, in Gruppen oder mit der ganzen Klasse zusammengetragen, gemeinsam fortgeführt und ergänzt werden.

Phase 4: Verwirklichungsphase

Jetzt kommt es darauf an, entwickelte Utopien in konkrete Ziele, Projekte und politische Forderungen zu überführen. Naturgemäß stellen sich die Schüler*innen dabei zwei Fragen:

  1. Wie lässt sich aus unserer Utopie ein realistisches Vorhaben gestalten, das umsetzbar ist und das genannte Problem lösen könnte?
  2. Wie können wir das Vorhaben umsetzen? Wer könnte uns unterstützen und wie können wir Schulpersonal, Mitschüler*innen, Eltern und Direktion von unserer Idee überzeugen? Wo und wie können wir unsere Ideen einbringen und mitentscheiden?

Die Verwirklichungsphase bewegt sich stets zwischen Informations- und politischen Aktionsmomenten. Oftmals führt eine Handlung zu neuen Fragen und umgekehrt. Die Schüler*innen sollten in dieser Phase möglichst selbstständig über ihre Organisation und Arbeitsweise entscheiden. Bei der Umsetzung ihrer Vorhaben setzen sie sich mit den Entscheidungswegen in Schule und Gemeinde sowie mit den Interessen anderer Gruppen auseinander. So erhalten sie übertragbare Einblicke in die demokratische Gestaltung ihres Umfelds. Aufgabe der Lehrpersonen ist es, die Lernenden in ihrem Engagement zu unterstützen und in regelmäßigen Metareflexionen das Vorgehen und die gesammelten Erfahrungen mit den Schüler*innen zu besprechen.

Phase 5: Nachbereitungsphase

Sowohl in den Metaphasen als auch am Ende der Zukunftswerkstatt sollten die Schüler*innen ihre Arbeitsergebnisse gemeinsam sichern, strukturieren und bewerten. Wie beurteilen sie die gegebenen Partizipationsangebote? Welche Fragen, Projekte und Ideen möchten sie vielleicht in Eigenregie weiterverfolgen? Wie beurteilen sie rückblickend die Arbeitsweise in der Zukunftswerkstatt? Was ist gelungen, was sollte zukünftig anders gemacht werden? Wie zufrieden sind sie mit dem, was sie für die Schule erreichen oder in die Wege leiten konnten?

Partizipation und Identifikation haben das Potenzial, einander zu beflügeln. Wenn Schüler*innen sich für ihre Schule einsetzen können und sich dabei ernstgenommen fühlen, identifizieren sie sich stärker mir ihr. Wenn sie sich mit ihrer Schule identifizieren, werden sie sich künftig noch stärker in diese einbringen. Zukunftswerkstätten mit Bezügen zur Schulentwicklung können Teilhabe und Zugehörigkeit stärken und reale politische Lernchancen für alle Beteiligten eröffnen.

 


Checkliste
Zukunftswerkstatt

Ziel

Utopien für die Schulgemeinschaft entwickeln und in konkrete Vorhaben übersetzen

Zielgruppe

Gruppen von fünf bis fünfzig Personen

Dauer

Vier Stunden bis fünf Tage

Vorgehen
  • Organisation und Ziel der Zukunftswerkstatt klären
  • Kritik und Probleme der Schüler*innen sammeln und auswählen
  • Fiktiven Idealzustand entwerfen
  • Realisierbare Ziele ableiten, Handlungsmöglichkeiten ausloten und nutzen
  • Zukunftswerkstatt evaluieren
Tipp

Lehrpersonen sollten Schüler*innen möglichst selbstständig und eigenverantwortlich nachdenken, entscheiden, organisieren, handeln und evaluieren lassen.





Michell W. Dittgen

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Arbeitsbereich „Didaktik der Gesellschaftswissenschaften“ der Universität Trier. Demokratiebildung und demokratische Schulentwicklung gehören zu seinen Arbeitsschwerpunkten.

Autor*in(nen):

Michell W. Dittgen (2018)

Titel:

Schulentwicklung aus Schülersicht: Zukunftswerkstatt „Meng Schoul – Eis Schoul“

Erschienen in Ausgabe:

01 / 2018 - Demokratiepädagogische Schulentwicklung, S. 24-26.

Stichwörter:
Arbeitsmaterialien
  • Die Phantasiephase
  • Die Verwirklichungsphase
  • La phase imaginative
  • La phase de réalisation
Zitiervorschlag:
Michell W. Dittgen (2018) : Schulentwicklung aus Schülersicht: Zukunftswerkstatt „Meng Schoul – Eis Schoul“, in: mateneen 01 / 2018 - Demokratiepädagogische Schulentwicklung , S. 24-26. Online unter: https://doi.org/10.25353/ubtr-made-2d36-7343